Zwischen 1907 und 1909 liess die Queen Alexandra Society, eine gemeinnützige Gesellschaft aus England, auf einem Landschaftsbalkon in der Grüni oberhalb von Davos Platz ein Sanatorium für den englischen Mittelstand erstellen. Das Queen Alexandra Sanatorium war die grösste englische Tuberkulose-Heilanstalt auf dem Kontinent und ein frühmodernes Meisterwerk der Zürcher Architekten Pfleghard und Haefeli und des renommierten Bauingenieurs und Brückenbauers Robert Maillart. Als Ergebnis kollaborativer Arbeit von Ingenieur, Architekt und Bauherr entstand hier mit all ihren Widersprüchen und Kompromissen eine neue Art der Architektur, die massgeblich durch den Einsatz von Stahlbeton geprägt ist.
Bereits 1911 wurde der asymmetrische Bau um einen Westflügel erweitert und erhielt damit seine bis heute charakteristische Gestalt als Zweiflügelanlage mit turmartigem Mittelstück.
Während des Ersten Weltkriegs blieben die englischen Gäste aus, das Sanatorium wurde geschlossen. Schliesslich konnte es am 1. Januar 1922 von der Thurgauischen Gemeinnützigen Gesellschaft zum Preis von Fr. 800 000 samt Mobiliar erworben werden. Es diente damals als geschlossenes Volkssanatorium für mittellose Tuberkulosekranke der Kantone Thurgau und Schaffhausen.
In der Folge wurde die Heilstätte fortwährend den neuen Bedürfnissen angepasst und erweitert. Eine grosse Renovation fand Mitte der 1950er-Jahre statt. Damals entstand unterhalb der Klinik ein neues Personalhaus. Auch wurden die Liegehallen an der Südfassade des Hauptbaus um eine Balkonschicht erweitert, die sich wenig positiv auf die Gesamterscheinung des Bauwerks auswirkte.
Viele Jahre war die Davoser TSH eine der wichtigen Kliniken am Ort. 2005 musste der unrentabel gewordene Betrieb aufgegeben werden – 120 Mitarbeitende verloren ihre Arbeitsstelle. Im Jahr zuvor hatte die damalige Eigentümerschaft, der Kanton Thurgau, die Gemeinde Davos noch um eine Zonenplanänderung gebeten, um mit dem Erlös aus den unterhalb der Klinik gelegenen Flächen die Klinik sanieren zu können. Der Davoser Souverän stimmte dem Anliegen im Oktober 2004 zu – nur um eine Woche später vom Schliessungsentscheid für die Klinik zu erfahren. 2005 wurde das Klinikgebäude an den Investor Remo Stoffel verkauft. Danach stand das alte TSH-Gebäude ungenutzt, abgesehen von der jährlichen Vermietung an die Armee während des WEF.
Seit 2020 ist das 23 500 Quadratmeter grosse Klinikareal im Besitz der Neue Haus AG, einer Tochterfirma der in Rotkreuz (ZG) domizilierten Lika Holding AG. Diese beabsichtigt, das Relikt aus Davos' Blütezeit als Kurort zu touristischen Zwecken umzunutzen – und dafür grosszügig zu erweitern. Nach dem Willen der neuen Eigentümerin soll das einstige Sanatorium in einen strukturierten Beherbergungsbetrieb umgewandelt und mit einer Viezahl touristisch bewirtschafteter Wohnungen ergänzt werden.
Die Davoser Grundordnung lässt dies grundsätzlich zu. Die Klinikparzelle ist der Zone für Kurbetriebe zugewiesen. In dieser sind gemäss kommunalem Baugesetz grosszügigerweise neben Kurbetrieben auch solche Betriebe zulässig, welche «in die kommunale Wirtschaftsstruktur passen und ein hohes langfristiges Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzpotenzial aufweisen.» Das Klinikgebäude ist im Generellen Gestaltungsplan der Gemeinde als «erhaltenswert», das isoliert auf einer Hangkuppe über dem ehemaligen Sanatoriumskomplex thronende ehemalige Ärztehaus, ein Werk des Architekten Rudolf Gaberel (1882–1963), als «schützenswert» klassiert.
Das im Direkauftrag der Neue Haus AG von einem Churer Architekturbüro erarbeitete Erweiterungsprojekt vermochte nicht zu überzeugen. In Absprache mit dem Bündner Heimatschutz wurde der Eigentümerschaft von der Gemeinde Davos die Durchführung eines Variantenverfahrens empfohlen. Dessen Ziel war es, eine sowohl in städtebaulicher wie landschaftsräumlicher Hinsicht überzeugende Erweiterungslösung zu finden. An dem von der Bauherrschaft gewünschten zu grossen Raumprogramm wurde ebenso wenig gerüttelt wie am Umstand, dass der Umgang mit dem Hauptgebäude nicht Gegenstand des Verfahrens sein sollte.
Im Winter 2022/23 fand ein selektiver Ideenwettbewerb auf Einladung gemäss SIA 142 statt. Vier renommierte Architekturbüros waren dazu eingeladen. Massgebendes Kriterium war ein konzeptionell sinnvolles und wirtschaftlich tragbares Zusammenspiel von Bestand und Neubauten.
Die Jury, in der auch der Bündner Heimatschutz vertreten war, empfahl der Bauherrschaft, das Projekt «Baffi» von barão-hutter zur Weiterbearbeitung. Der Jurybericht hält dazu fest: «Der Kern der Idee: Wie ein geschwungener Schnauz schmiegen die Architekten die neuen Nutzungen des alten Klinikhauses und unter dem Doktorhaus in ein neues Gebäude der Geländekante entlang. So gelingt es, die Landschaft vor dem Klinikhaus möglichst freizuspielen – und es gelingt, das Personalhaus für eine weitere Lebensetappe zu erhalten.»
Im September 2024 lagen das Erweiterungsprojekt gleichzeitig mit dem diesem zugrunde liegenden Quartierplan öffentlich auf. Der Bündner Heimatschutz distanziert sich von dieser Ausschreibung, da sie den nötigen Respekt vor dem Juryentscheid vermissen lässt. So soll der schweifartige Neubau verlängert und um ein Stockwerk erhöht, also erheblich vergrössert und dazu noch näher an das alte Sanatorium gerückt werden, was sich negativ auf die Gesamtanlage und die Umgebung auswirkt. Nicht nur wird damit die Präsenz des historischen Hauptgebäudes unterminiert. Durch die überdimensionierte Monumentalität des neuen Komplexes wird auch das schmucke Arzthaus vollends marginalisiert, ja, es verkommt geradezu zur Karikatur. Zudem soll das aus den 1950er-Jahren stammende Personalhaus durch einen gewaltigen Neubau an gleicher Stelle ersetzt werden. Dabei war im Jurybericht gerade der Erhalt des alten Personalhauses lobend hervorgehoben worden.
Es geht bei diesem Projekt ganz offensichtlich weniger mehr um eine möglichst gute städtebauliche und landschaftliche Einpassung, als vielmehr um eine rücksichtslose maximale Ausnützung des Geländes.
Bei der Davoser Baubehörde sind 13 Einsprachen gegen das Erweiterungsprojekt eingegangen. Mit einem baldigen Baustart ist also nicht zu rechnen.
Bald ein Gerichtsfall? Gegen Hotel hagelt es Einsprachen – Südostschweiz, 19. September 2024
Fachleute zerreissen Davoser Grossprojekt in der Luft – Südostschweiz, 19. Oktober 2024
Ein besonderes Augenmerk des Bündner Heimatschutzes gilt dem Ärztehaus, das als Blickfang auf dem Geländesporn über dem monumentalen Heilstättenkomplex thront. Das kleine Gebäude von 1934 zeichnet sich nicht nur durch einen hohen Situationswert aus, es ist auch von ausserordentlicher architekturhistorischer Qualität. Sein Architekt Rudolf Gaberel hatte in den 1920er- und 1930er-Jahren für Graubünden einzigartige Bauten der Moderne schuf. Es handelt sich um den letzten erhaltenen Holzständerbau von Gabarel, was insofern speziell bemerkenswert ist, als eben Bauten dieser Art den Architekten zum allseits bekannten Wegbereiter der Schweizerischen Holzmoderne gemacht hatten. Das TSH-Arzthaus gehört es zu den am besten erhaltenen Gaberel-Bauten überhaupt.
Der Bündner Heimatschutz ersuchte die Investoren, dem architektonischen Kleinod bei der anstehenden Renovation einen denkmalpflegerisch korrekten Umgang angedeihen lassen. Bei einem Schutzobjekt dieser Güteklasse ist unbedingt ein konservierend-restauratorischer Ansatz mit dem Ziel eines integralen Erhalts anzustreben – basierend auf einem qualifizierten Inventar, das Schutzziel und Schutzumfang präzis umschreibt. Und es muss eine Nutzung gefunden werden, bei der die Eingriffstiefe minimal gehalten werden kann. In Verbindung mit dem geplanten Hotel und den bewirtschafteten Zweitwohnungen in unmittelbarere Nähe wäre eine Verwendung als Ferienhaus naheliegend. Der Bündner Heimatschutz versucht, die Eigentümerschaft zu einer Kooperation mit der Stiftung Ferien im Baudenkmal zu bewegen.