Über die Fluren verstreute alte Stallscheunen – in weiten Teilen unseres Kantons prägen sie die Landschaft wie kaum eine andere Spur menschlicher Tätigkeit; ihre Zahl wird auf rund 20 000 geschätzt. Einst integraler Bestandteil einer für die gesamte Alpenregion typischen Siedlungs- und landwirtschaftlichen Lebensform, machen diese historischen Elemente der Kulturlandschaft in ihrem heutigen Leerstand den umfassenden Strukturwandel im Alpenraum seit dem letzten Jahrhundert sichtbar. Seit Längerem werden, auch in Form parlamentarischer Vorstösse auf Kantons- und Bundesebene, Forderungen nach einer weitgehenden Freigabe dieser «nutzlos» gewordenen Zeugen einer vergangenen Wirtschaftsweise zu touristischen Zwecken laut. Dabei wird angeführt, die dem Zerfall preisgegebenen Ställe würden das Landschaftsbild «verschandeln» und seien eines Tourismuskantons unwürdig. Weiter wird behauptet, durch eine Umnutzung der betreffenden Bauten zu Ferienhäusern würde sich ein riesiges Wirtschaftspotential vor allem für das regionale Gewerbe eröffnen und der Vergandung des Berggebietes Einhalt geboten.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind klar: Gemäss den allgemeinen Vorschriften für Bauten ausserhalb der Bauzone unterliegen Stallbauten im freien Gelände grundsätzlich einem Umnutzungsverbot zu Wohnzwecken. Allerdings wurden mit den erfolgten Revisionen des Raumplanungsrechts seit 1980 bereits Möglichkeiten für die Umnutzung dieser ausserhalb des Siedlungsgebietes gelegenen Stallscheunen geschaffen. Nach Auffassung des Bündner Heimatschutzes gilt es nun, im Rahmen der geltenden Bestimmungen eine vernünftige Auswahl geschichtlich oder landschaftlich wertvoller Objekte zu treffen. Jede weitere Liberalisierung in diesem Bereich würde der «Verhäuselung» der Landschaft Vorschub leisten und die Zersiedelung weiter fördern. Und sie stünde in Widerspruch zum Grundsatz der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet, der raumplanerischen Errungenschaft schlechthin!
Im offenen Gelände stehende Ställe oder Stallgruppen sind landschaftsprägend und haben eine identitätsstiftende Wirkung – allerdings nur, wenn sie in ihrer ursprünglichen Form und Funktion bestehen bleiben. Der Erhaltungszustand spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Durch die Umnutzung der einzelnen Bauten zu Ferienzwecken kann die Ursprünglichkeit einer Kulturlandschaft niemals erhalten werden. Eine Zweckänderung ist architektonisch schwer zu bewältigen, da sich Konstruktion und Bauweise eines Ökonomiebaus schlecht für den Umbau in Wohnraum eignen. Daneben bringt jeder Stallausbau neben einem Mehr an neuen Leitungen (für Wasser, Kanalisation, Strom) auch einen Zuwachs an Landverbrauch mit sich, geht er doch immer mit der Schaffung einer Zufahrt, von Parkplätzen, eines (umzäunten) Gartens mit Sitzplatz etc. einher. Die Verfremdung des Stalls und seiner Umgebung bedeutet eine Belastung der Landschaft und läuft dem Schutzgedanken, der allein den Erhalt von nicht mehr in ihrer ursprünglichen Funktion brauchbaren Ökonomiebauten rechtfertigt, diamentral entgegen.
Die Befürworter der Umnutzung von Ställen ausserhalb der Bauzone argumentieren stets, dass nur ein sanfter Ausbau der einfachen Bauwerke erlaubt wäre, der nach aussen hin kaum wahrgenommen würde. Die Realität sieht in aller Regel anders aus, wie folgende Beispiele exemplarisch zeigen.
Das kulturelle Erbe ausserhalb der Bauzonen erhalten und pflegen
Positionspapier des Schweizer Heimatschutzes, November 2018
Landwirtschaftliche Bauten und die Raumplanungspolitik
Medienmitteilung des Schweizer Heimatschutzes, 7. Februar 2019
Bündner Praxis ist bundesrechtswidrig
Leserbrief des Bündner Heimatschutzes zum Bundesgerichtsurteil 1C_62/2018
Umnutzung unbenutzter Ställe
Bericht zur Podiumsdiskussion am 6. März 2019 in Schiers mit BHS-Präsident Christof Dietler, erschienen in: Prättigauer u. Herrschäftler, 9. März 2019
Zweitwohnungen – wie weiter? Zur Identität von Siedlung und Landschaft
Referat zum Thema «Ortsbildprägende Bauten» von Ludmila Seifert, Geschäftsführerin Bündner Heimatschutz
Lasst die Ställe untergehen
Kommentar von Hochparterre-Chefredaktor Köbi Gantenbein, Hochparterre 4/17