Im Oktober 2022 hatte der Stadtrat auf der städtischen Website seiner Freude Ausdruck verliehen, «dass er mit Anne Pfeil eine versierte, engagierte und erfahrene Fachfrau» als neue Stadtarchitektin gewinnen konnte. Blieb es womöglich bei der Freude? Hat man es unterlassen, sich auf die Versiertheit, Engagiertheit und Erfahrenheit der neuen Stadtarchitektin auch tatsächlich einzulassen? Ihr den dafür notwendigen Gestaltungsspielraum verweigert? Lange hat's Anne Pfeil auf jeden Fall nicht ausgehalten.
Im Juni 2021 hatte Städtebau-Professor Stefan Kurath in der Wochenzeitung Die Zeit einen vernichtenden Artikel zur Bau- und Planungskultur in Chur geschrieben. Sechs Jahre zuvor hatte der damalige Churer Baudirektor in einer seltsamen Mischung aus Selbstüberschätzung und Expertenhass das Amt des Stadtarchitekten kurzerhand abgeschafft. Kuraths Kolumne mit dem Titel «Bauen wie die Zombies» schloss versöhnlich und hoffnungsvoll: «Die Stadt hat wieder einen Stadtarchitekten. Jürg Rehsteiner heisst der Mann, er kommt aus Luzern ins Bündnerland und kann’s. Eigentlich. Wenn man ihn lässt.» Rehsteiner verschwand nach wenigen Monaten wieder von der Bildfläche. Aus Gesundheitsgründen, wie es heisst.
Die Stadt Chur tut sich seit jeher schwer mit ihren StadtarchitektInnen. Seit 1990 haben sechs Leute das Amt angetreten. Deren drei wurden geschasst und zwei machten auf dem Absatz kehrt. Das Problem liegt offenbar im System. Vielleicht wäre es an der Zeit, über eine neue Verwaltungsstruktur nachzudenken und das Organigramm entsprechend anzupassen. Die Stadtarchitektin wäre idealerweise nicht bloss Vorsteherin der Hochbaudienste, sondern die fachliche Leiterin des gesamten Bau- und Planungsdepartements – quasi die rechte Hand der demokratisch gewählten Baudirektorin, welche, als fachliche Laiin, die politische Verantwortung trägt und im besten Falle Expertise-basierte Entscheide fällt.
Chur gilt gemeinhin – und wohl nicht zu unrecht – als planungsfeindlich. Eins ist klar: Planungskultur ist auf Langfristigkeit und Kontinuität angewiesen. Und sie braucht politische Rückendeckung. Eine vom Alltag geregelte Stadtgestaltung können wir uns angesichts der anstehenden Herausforderungen nicht leisten. In einem Zeitpunkt, da die städtische Grundordnung revidiert ist, ist eine längere Vakanz im Stadtarchitekten-Amt nicht zu verantworten. Verdichtung und klimaangepasste Stadtreparatur sind kein Kinderspiel. Es braucht so schnell wie möglich wieder eine souveräne Fachperson mit architektonischem Können, städtebaulichem Verständnis und kultureller Bildung, die mit politischem Bewusstsein und Weitblick die Übersicht wahrt.