Ausgangspunkt war ein historisches Ensemble bestehend aus Wohnhaus und Stall am südlichen Dorfrand von Sagogn-Vitg Dado. Die Anlage befindet sich zwar im Ortsbildschutzbereich, stellte aber per se keine Besonderheit dar. Sie war in der gültigen kommunalen Grundordnung entsprechend weder als erhaltens- noch als schützenswert qualifiziert. Das Wohnhaus, ein in Mischbauweise errichtetes Gebäude mit gemauerten und aus Kanthölzern gestrickten Teilen, wurde zwischenzeitlich abgebrochen und durch ein Ferienhaus aus Sichtbeton ersetzt. Den zugehörige Rundholzstall wollte man als «ortsbildprägenden» Bau eingestuft wissen. Denn eine solche Klassifizierung bildet eine der gesetzlich bestimmten Voraussetzungen dafür, dass ein historischer Ökonomiebau ausnahmsweise zu einer Ferienwohnung umgebaut werden darf. Als «ortsbildprägend» gelten laut Zweitwohnungsgesetz Gebäude, «die durch ihre Lage und Gestalt wesentlich zur erhaltenswerten Qualität des Ortsbildes und zur Identität des Ortes beitragen.»
Selbstverständlich kommt dem hundskommunen Rundholzstall am Dorfrand von Sagogn für sich allein genommen keine ortsbildprägende Bedeutung im Sinne des Zweitwohnungsgesetzes zu. Denn er trägt weder durch seine Lage noch durch seine Gestalt wesentlich zur erhaltenswerten Qualität des Ortsbildes und zur Identität des Dorfes bei. Ortsbildprägende Qualität hätte er allerhöchstens in seiner für landwirtschaftlich geprägte Dörfer typischen Verbindung mit dem angebauten historischen Wohnhaus. Indem man das historische Wohngebäudes durch einen modernen Neubau ersetzte, hat man den Stall seines ursprünglichen, identitätsstiftenden Kontextes beraubt, der ihn (wenn überhaupt) erst wertvoll macht.
Dennoch wurde die Umnutzung der Stallscheune und der damit zusammenhängende Umbau von der Gemeinde bewilligt – wogegen der Bündner Heimatschutz am 21. Dezember 2018 Einsprache erhob. In seinem Urteil vom 29. März 2022 hielt das Bündner Verwaltungsgericht explizit fest, dass nur bereits als «schützenswert» bzw. «geschützt» oder «erhaltenswert» klassierte Gebäude auf ihre Ortsbildprägung im Sinne des Zweitwohnungsgesetzes geprüft werden können – keinesfalls aber jeder noch so triviale Stall innerhalb einer Dorfkernzone. Der Status «geschützt» sei nur ein Indiz dafür, dass das betreffende Objekt auch «ortsbildprägend» sein könnte, garantiere dessen Ortsbildprägung aber nicht. Ferner konstatierte das Gericht, dass in der kommunalen Grundordnung Bauten nur dann als «ortsbildprägend nach Art. 6 ZWV» festgelegt werden können, wenn «die Planungsunterlagen sachliche Begründungen enthalten, weshalb eine Baute im Licht der Definition von Art. 6 Abs. 1 ZWV ortsbildprägend sein soll.»
Die im Beschwerdefall involvierte Zürcher Immobilienfirma, deren Geschäftsmodell auf einer extensiven Ausscheidung von «ortsbildprägenden» Dorfställen basiert, hat den Entscheid des Verwaltungsgerichts vor Bundesgericht weitergezogen. Mit seinem Urteil vom 9. Mai 2023 stützt das Bundegericht das (Leit-)Urteil der Vorinstanz – und gibt dem Heimatschutz vollumfänglich Recht.