Sinn und Zweck des Churer Stadtinventars wird im städtischen Baugesetz klar umschrieben: «Das Siedlungsinventar [= Stadtinventar] erfasst und bewertet bestehende Bauten und Anlagen» und bildet «die Grundlage […] für die Aufnahme wertvoller Bauten [und] Baugruppen in den Generellen Gestaltungsplan». Das Inventar ist also kein rechtlich verbindliches Planungsinstrument, sondern eine Planungsgrundlage, kurz: eine Zusammenstellung der wichtigsten baukulturellen Zeugnisse auf dem Gebiet der Stadt Chur. Die Umsetzung des Inventars in die Planungsinstrumente, sprich: die eigentümerverbindliche kommunale Unterschutzstellung von als schutzwürdig erkannten Objekten im Generellen Gestaltungsplan, erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt und unter transparenter Abwägung unterschiedlicher Interessen. So ist fundiert und nachvollziehbar zu begründen, warum das öffentliche Interesse des Denkmalschutzes im Einzelfall weniger hoch gewichtet wird als ein anderes – privates oder öffentliches – Interesse.
Ein Inventar gibt ein fachliches Urteil wieder und wird entsprechend von ausgewiesenen ExpertInnen erarbeitet. Die Auswahl der Objekte erfolgt nach klar definierten, sachlichen Kriterien und entsprechend unabhängig von Eigentumsverhältnissen, wirtschaftlichen Motiven oder allfälligen Planungsabsichten. Auch ist ein solches Inventar nie abschliessend, es muss regelmässig überprüft und bereinigt werden. Das erste Churer Stadtinventar erstellte der Kunsthistoriker Leza Dosch in den 1980er-Jahren. 2017/2018 wurde dieses von einer Fachgruppe im Auftrag der Stadt aktualisiert. Statt nun dieses von Experten erarbeitete Inventar der Öffentlichkeit zu unterbreiten, entwarf der Stadtrat nach eigenem Gutdünken eine zweite Version, indem er «die Objekte in einer Gesamtschau» würdigte und «aus kultur- und architekturhistorischer Perspektive die Auswahl derjenigen Objekte» traf, «welche in einem weiteren Prozess eingebracht werden sollen.» So wurden zunächst (vor der Vernehmlassung) 25 und in einer zweiten Runde (nach der Vernehmlassung) weitere neun Objekte ohne jede Begründung kurzerhand aus dem Inventargestrichen. Fakt ist, dass keiner der drei involvierten Stadträte fachlich qualifiziert ist, eine Bewertung von Bauten aus «kultur- und architekturhistorischer Perspektive» vorzunehmen. Als subjektive Auswahl des Stadtrates verliert das Inventar allerdings den Charakter eines fachspezifischen Dokuments und ist als Planungsgrundlage unbrauchbar.
Stellungnahme des Bündner Heimatschutzes zur Revision der Churer Stadtinventars vom 17. Februar 2021
Das Stadtentwicklungskonzeptes Chur 2050 (STEK 2050) ist ein behördenverbindliche Dokument, das die raumplanerischen Leitplanken für die Entwicklung der Stadt Chur in den nächsten 25 bis 30 Jahren absteckt. Der offenbar ohne jedwede Partizipation von den städtischen Behörden erarbeitete Entwurf des Dokuments lag im Sommer 2021 zur öffentlichen Mitwirkung auf.
In seiner Stellungnahme begrüsste der BHS die starke Gewichtung der Baukultur, die im STEK 2050 zum Ausdruck kommt. Denn nur mit einer hohen Baukultur lässt sich erreichen, was das Ziel einer jeden nachhaltigen Stadtplanung sein muss: der Erhalt, die Pflege und die Schaffung lebenswerter Orte der Begegnung und Identifikation. Der Anspruch an baukulturelle Qualität darf sich allerdings nicht im floskelhaften Formulieren des Wünschenswerten erschöpfen, sondern muss in Handlungsanweisungen überführt werden. Denn Leitbilder können nur dann eine Wirkung entfalten, wenn sie in eine konkrete Umsetzung münden. Damit das STEK2050 nicht im Theoretisch-Abstrakten stecken bleibt, sind die wirksamen Methoden und Instrumente zur Erfüllung der im Bericht dargelegten Inhalte mit Blick auf die Festlegungen in der Nutzungsplanung im Bericht selbst explizit zu formulieren. Ohne eine solche Konkretisierung wird die Stadtentwicklung letztlich dem Zufall bzw. der Befriedigung von Partikularinteressen überlassen. Unsere Anregungen fanden leider keinen Eingang in den definitiven Bericht.
Stellungnahme des Bündner Heimatschutzes zum Entwurf des Churer Stadtentwicklungskonzeptes 2025